Gadderbaum. Sich schon morgens für den Weg zur Arbeit auf das Fahrrad schwingen? Vielen Menschen steht dabei nicht nur der eigene Schweinehund im Wege. Teils fehlt es vor Ort auch an Möglichkeiten, den Drahtesel abzustellen, von einer erfrischenden Dusche nach der anstrengenden Radelei ganz zu schweigen.
Die Mitarbeiter der Firma Hebie haben damit keine Probleme. Denn als erstes Bielefelder Unternehmen hat sich der Betrieb vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) als "Fahrradfreundlicher Arbeitgeber" zertifizieren lassen.
Mitarbeiter seltener krank
Für das Traditionsunternehmen, das seit 1868 Fahrradteile produziert, sei es eine "Quasi-Verpflichtung in diesem Bereich tätig zu sein und den Umweltschutz zu fördern. Außerdem sind Mitarbeiter, die regelmäßig mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen, seltener krank", nennt Dirk Niermann einige Motive für die Teilnahme.
Im Unternehmen ist er für alle Fragen der sozialen Verantwortung zuständig. Außerdem hat der ehemalige Geschäftsführer als Mobilitäts- und Radverkehrskoordinator alles in die Wege geleitet, damit Hebie zertifiziert werden konnte.
20.000 Radkilometer im Jahr
Innerhalb eines halben Jahres seien zusätzlich zu zehn Fahrradstellplätzen im Außenbereich noch 14 überdachte Plätze geschaffen worden. Dafür seien teils Autoparkplätze in Fahrradstellplätze umgewandelt worden.
"Damit könnte derzeit die Hälfte unserer 50 festen Mitarbeiter ihr Fahrrad bei uns abstellen", berichtet Niermann. Von 23 Radfahrern kämen derzeit neun fast täglich mit dem Rad zur Arbeit und erradelten zusammen etwa 20.000 Kilometer im Jahr.
Bei soviel Fleiß lässt der Verschleiß am Rad nicht lange auf sich warten. In einer eigens eingerichteten Werkstatt können Reparaturen an den Zweirädern vorgenommen werden, während die verschwitzten Strampler in den Räumen des Unternehmens schon länger die Möglichkeit haben, sich nach anstrengender Fahrt zu duschen. Derzeit werde der Duschbereich erweitert und um weitere Spinde ergänzt.
Auf dem Weg zur nachhaltigen Mitarbeitermobilität
Außerdem sei eine erneute Teilnahme am diesjährigen Stadtradel-Wettbewerb fest ins Auge gefasst. Und zuletzt gehört auch Niermanns Rolle als Mobilitäts- und Radverkehrskoordinator zum Kriterien-Katalog. Um diesen zu erfüllen, habe Hebie zwischen 5.000 und 10.000 Euro in die Hand genommen, schätzt Niermann. Hinzu kamen 950 Euro für das ADFC-Zertifikat.
Auf dem Weg zu einer "nachhaltigen Mitarbeitermobilität" sei das Zertifikat für die Fahrradfreundlichkeit jedoch nur ein Baustein von vielen. So versucht Hebie seine Angestellten mit Jobtickets des Bielefelder Verkehrsbetriebs Mobiel auch für die öffentlichen Verkehrsmittel zu begeistern.
Das Zertifikat für fahrradfreundliche Arbeitgeber vergibt der ADFC seit 2007. Doch warum hat sich Hebie gerade als Traditionsbetrieb aus der Fahrradbranche nicht schon früher darum bemüht? "Gute Frage", antwortet Niermann. "In meiner Zeit als Geschäftsführer habe ich mich nebenbei mit dem Thema auseinandergesetzt.
Sonst kein Bielefelder Unternehmen an ADFC-Zertifikat interessiert
Seit dem 1. Januar 2019 bin ich Mobilitäts-Koordinator und kann mich in Vollzeit mit der Fahrradfreundlichkeit unseres Unternehmens beschäftigen." Auch wenn sich das Zertifikat deutschlandweit wachsender Beliebtheit erfreue, hat sich - von Hebie abgesehen - kein Bielefelder Unternehmen darum bemüht, erklärt Sara Tsudome vom ADFC auf Nachfrage.
Am von der Bundesregierung geförderten Modellprojekt Mobilprofit haben sich nach Auskunft von Birgit Reher aus dem städtischen Umweltamt 2015 und 2016 acht Bielefelder Betriebe beteiligt. Auch hierbei wurde Fahrradfreundlichkeit honoriert.
Weitere 120 Unternehmen die größtenteils in Bielefeld ansässig sind, haben seit 2001 ein Ökoprofit-Zertifikat erhalten, indem sie unter anderem Möglichkeiten zur Energieeinsparung genutzt haben.
Das ADFC-Zertifikat in Silber darf Hebie zunächst drei Jahre lang führen.
Doch gerade wenn es um die Mobilitätswende geht, steht fest, dass Unternehmen in der Pflicht stehen. Was nützt es, wenn durch Radwege mehr Platz und Sicherheit für Radfahrer geschaffen wird - diesen aber am Ende ihrer häufigsten Wegstrecke - nämlich der zum Arbeitgeber - moderne Abstellmöglichkeiten fehlen. Die Konsequenz: Die Fahrräder bleiben stehen.
Am Ende ist ein ADFC-Zertifikat wie auch das Zertifikat des Energiemanagementprogramms Mobilprofit ein Dokument aus Papier. Doch gerade mit Blick auf die öffentliche Diskussion über den Klimawandel können Unternehmen durch Zertifikate zeigen, wie sie sich für den Umweltschutz einsetzen. Und das, auch wenn letztlich nicht nur der zertifizierte Einsatz im Sinne der Umwelt zählen wird.
Wie Sara Tsudome erklärt sei die Benennung eines Koordinators für den Radverkehr verpflichtendes Kriterium. Daneben gehe es unter anderem um die Teilnahme an Kampagnen zum Radfahren, Aktivitäten zur Radförderung und die Bereitstellung von Reparaturmöglichkeiten.