Abgefahren - eine Hommage an das E-Bike
Ob kurz, ob lang: zwei Räder sind genug
Waren Sie schon mal in München? Bestimmt waren Sie das. Vermutlich mit dem Auto. Über die A3. In Erinnerung bleiben die Rastplätze. Tanken und Fastfood bei den Nordsee- und McDonalds-Restaurants. Und natürlich die vollautomatischen Sanifair-Toiletten für 1 Euro. Da möchte man am liebsten schnell weiter. Aber das gelingt nicht immer. Denn gerade jetzt wollen alle in den Süden. Und der Stau hinter Aschaffenburg scheint kein Ende zu nehmen. Am Ziel angekommen bräuchte man eigentlich einen Tag Erholung, um sich vom Reisestress zu erholen. Dabei war der Spaß nicht mal billig: bei den heutigen Spritpreisen wird man hin und zurück mindestens 150 Euro verbrannt haben.
Und was ist mit der Lufthansa? Die braucht schließlich nur eine Stunde bis zum Franz-Josef-Strauß-Airport. Nach einer weiteren Stunde mit der S-Bahn ist es der schnellste Weg in die bayerische Landeshauptstadt. Dafür aber nochmal deutlich teurer und daher eigentlich nur für Geschäftsleute geeignet.
Was also tun? Die Lösung ist nah! Und sie braucht nicht einmal Benzin. Ist immer sofort fahrbereit und kostet nirgends Parkgebühren: das Fahrrad! Es dauert ein bisschen länger damit. Ok. Aber dafür wird man reichlich belohnt. Die Fahrt durch das Sauerland, den Westerwald, den Taunus und über die Schwäbische Alb wird zu einem unvergesslichen Erlebnis. Auch die Stopps in den unterschiedlichen kulturellen Regionen tragen dazu bei. Das hessische Gebabbel und die schwäbischen Spätzle muss man einfach mal erlebt haben. Drei bis sechs Tage sollte man für die 670 Kilometer aus dem Rheinland bis in die Isar-Metropole aber schon einplanen. Zumal es auf der Strecke auch einige Mittelgebirge zu überwinden gilt. Sind das Rothaargebirge oder der Steigerwald noch leicht zu schaffen, weiß man auf der Schwäbischen Alb ganz genau warum es Geislingen an der Steige heißt. Doch auf jeden Anstieg folgt immer eine Abfahrt - und abseits der Blechbüchsen-Boulevards ist der Weg schließlich das Ziel.
In München angekommen wird es noch viel besser: Statt sich verzweifelt mit dem Pkw durch den dichten Stadtverkehr zu quälen, nach einem nervigen Suchen noch viel Geld fürs Parken zu bezahlen, mit Bus und Bahn umständlich durch die Großstadt zu bewegen oder gar langsam und teuer mit einem Taxi fahren zu müssen, hat man mit dem E-Bike das perfekte Fortbewegungsmittel dabei: kostenlos und schnell geht es vom Stachus zum Marienplatz, vom Olympiapark nach Schwabing, vom Viktualienmarkt zum Englischen Garten. Selbst Ausflugsziele wie Starnberger oder Ammersee, sogar Tegernsee und Chiemsee sind in wenigen Stunden erreicht!
Genauso läuft es übrigens mit Berlin und Hamburg. Nur dass die Staus hier auf der A1 und der A2 sind. Die Routen in östlicher Richtung über Paderborn und Helmstedt bzw. in nördlicher Richtung über Münster und Osnabrück verlaufen. Die Wege nach Ost und Nord deutlich flacher sind und die Strecke vom Ku‘damm zum Alex oder von der Elphi zum Michel mit dem Bike am schnellsten zurückgelegt werden.
Und, was für die Langstrecke gilt, das gilt erst recht für die Mittelstrecke: Zeit, Geld und Nerven spart hier, wer auf sein Auto verzichtet und auf dem Arbeitsweg mit dem Fahrrad unterwegs ist. Als Beispiel sei hier die Verbindung von Monheim nach Düsseldorf genannt. Bis ins Zentrum der Landeshauptstadt sind es gute 20 Kilometer. Mit dem Pkw kommt es spätestens nach dem Verlassen der Autobahn zum Stillstand. Ab Eller geht es nur noch im Schritttempo in die City. Für die Strecke muss man deshalb in der Rush Hour morgens und abends eine gute Stunde einplanen. Mit dem E-Bike sind es bei, zugegeben flotter Fahrt, maximal 45 Minuten.
Noch eindeutiger fällt das Votum für das Rad auf der Kurzstrecke aus. Ganz abgesehen davon, dass es höchst unwirtschaftlich ist, wenn die Fahrt so kurz ist, dass der Motor nicht mal seine Betriebstemperatur erreicht! Mit dem Rad ist man meist schneller am Ziel. Darüberhinaus fallen selbstredend für das Bike keine Parkgebühren an. Von der Öko-Bilanz oder einem CO2-Fußabdruck gar nicht erst zu reden.
Ergo: das Rad gewinnt alle Disziplinen! Und den Skeptikern sei gesagt:
Natürlich fallen auf einer Langstrecke mit dem Rad Kosten für Übernachtungen an. Aber die gewonnene Lebensqualität lässt sich von Euros nicht abwerten.
Natürlich ist es nicht schön nach der Fahrt mit dem Rad verschwitzt am Arbeitsplatz anzukommen. Aber immer mehr Firmen bieten Duschen. Auch dafür lohnt es sich zu kämpfen.
Natürlich wird man gelegentlich vom Regen überrascht. Aber erstens gibt es Regenkleidung und zweitens sind wir nicht aus Zucker.
Natürlich kann das Fahrrad als Transportmittel den Pkw nicht gleichwertig ersetzen. Aber es könnte auch beim Einkauf viel häufiger eingesetzt werden.
Darüberhinaus (ich bin noch lange nicht am Ende!) kommen noch die gesundheitlichen, sozialen und die finanziellen Aspekte.
Ich gebe zu, dass ich ein Fahrrad-Junkie bin. Habe mit meinen beiden E-Bikes in den letzten fünf Jahren über 100.000 Kilometer zurückgelegt. Also durchschnittlich 55 Kilometer täglich. Fragen Sie mal meine Frau!
Die Strecke von Monheim nach München (670 km) bin ich mit Stopps in Alzey in der Pfalz und Stuttgart in drei Tagen gefahren. Genauso nach Berlin (604 km) über Paderborn und Helmstedt. Nach Hamburg (418 km) waren es zwei Tage mit nur einem Stopp in Osnabrück. Den Rheinradweg von der Quelle in der Schweiz bis zur Mündung in der Nordsee (1273 km) in acht Tagen. Die längste Tagesetappe war von Monheim nach Papenburg (270 km, 12 Stunden). Bei allen meinen Etappen rollen die Räder ab 7 Uhr morgens, nach acht Stunden im Sattel plus drei Stunden Pausen sind 200 Kilometer geschafft und das Ziel ist bis 18 Uhr meist erreicht.
Ergo: Du musst nicht verrückt sein, um acht Stunden täglich im Sattel zu sitzen. Aber es hilft!
Horst Viebahn
ADFC Langenfeld/Monheim