Mülheim. Die Berliner Firma Byke hatte in Mülheim 150 Mieträder in der Stadt abgestellt. Es hagelte Beschwerden. Nun sind die Räder erst mal wieder weg.

Plötzlich waren sie da: Mehr als Mieträder, augenfällig in Blau und Gelb gehalten. Die Berliner Firma Byke hat sie offenbar in der vergangenen Woche quer in der Stadt verteilt. Die Idee zum neuen Mobilitätsangebot klingt charmant wie simpel: Eine App runterladen, sich registrieren, den QR-Code an einem der Räder einscannen, losfahren – und am Ziel seiner Wünsche einfach wieder abstellen und abschließen. Doch das neue Angebot hat schnell für Wirbel gesorgt. Bürger beschweren sich, die Politik sieht sofortigen Handlungsbedarf, der Ordnungsamtschef ist alles andere als angetan. Was ist geschehen?

Das war schon eine bizarre Fragerunde zuletzt im Stadtrat. Brigitte Erd von den Grünen hatte den Aufschlag gemacht. „Die Räder fliegen wie Müll rum“, so ihre Klage. Der Betreiber des Mietradsystems verdiene bei 50 Cent Nutzungsgebühr pro Fahrt offenbar sein Geld mit der Datennutzung, habe er denn eine Genehmigung bei der Stadt beantragt?

An der Eppinghofer Straße blockieren die Räder den Fußweg

„Was ist da genau gelaufen?“, wollte Lothar Reinhard (MBI) wissen. Weil sowohl Verkehrsdezernent Peter Vermeulen als auch Rechtsdezernent Frank Steinfort keine zufriedenstellenden Antworten gaben, Vermeulen lediglich darauf verwies, dass sich die Firma im nächsten Mobilitätsausschuss vorstellen wolle, hakte die Politik weiter nach.

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Es störe sein Rechtsempfinden, wenn ein Mietradbetreiber tatsächlich so agieren könne, sagte SPD-Fraktionschef Dieter Spliethoff. An der Eppinghofer Straße blockierten die Räder den Fußweg, anderswo flögen sie durch die Gegend. Wer falsch parke, bekomme direkt ein Knöllchen. Warum toleriere die Ordnungsbehörde, dass Fahrräder überall abgestellt werden? Hasan Tuncer (Bündnis für Bildung) beklagte das gleiche Phänomen an der Kaiserstraße. Die Stadt möge „schnellstmöglich handeln“.

Ordnungsamtsleiter Bernd Otto nicht informiert

Verkehrsdezernent Peter Vermeulen verlas später noch eine Stellungnahme seines Hauses vom 2. Februar aus dem Mobilitätsausschuss: Im Dezember 2017 habe das Berliner Start-Up der Fachverwaltung mitgeteilt, ihr Mietradsystem ab 2018 auch im Ruhrgebiet einzuführen. Die Firma habe erklärt, sie würde ein Vor-Ort Service-Team sowie ein Lager vorhalten, um die Verkehrstüchtigkeit der Räder zu gewährleisten. Das Service-Team sei auch dafür zuständig, die Räder täglich wieder an ausgewählte Örtlichkeiten zu verteilen. Werktags sei über zwölf Stunden ein Kundenservice erreichbar, dessen Nummer gut sichtbar auf den Rädern angebracht sei.

Ordnungsamtsleiter Bernd Otto war darüber laut eigener Auskunft vom Montag nicht informiert worden. Sein Amt erreichten seit Donnerstagmorgen vergangener Woche nur die Beschwerden. Hier eine Haltestelle blockiert, dort der Zugang zu einem Geschäft oder ein Gehweg. „Das kann meine Behörde nicht gutfinden“, sagte er und gab an, seinen Außendienst aufgefordert zu haben, Knöllchen zu verteilen.

Eine Mobilitätsalternative in Mülheim etablieren

Aber so weit kommt es vorerst nicht. Das Berliner Unternehmen hat am Samstag kurzerhand alle Räder wieder eingesammelt. Weil offenbar nicht alle nötigen Ämter informiert gewesen seien, wolle man zunächst noch einmal das Gespräch mit der Verwaltung suchen, so Byke-Geschäftsführerin Julia Boss am Montag.

Sie bekräftigte, in guter Absicht eine Mobilitätsalternative in Mülheim etablieren zu wollen. Keineswegs wolle man mit Daten handeln, für eine Anmeldung würde nur Notwendiges zur Zahlungsabwicklung und die Mobilnummer oder der Facebook-Zugang abgefragt.

Das stationslose Angebot sei natürlich darauf angewiesen, dass die Nutzer ihr Rad ordnungskonform abstellten, darauf werden sie in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen hingewiesen. Bei Beschwerden seien in Essen stationierte Servicemitarbeiter „jederzeit erreichbar, um ein Rad innerhalb von 24 Stunden wegzuräumen“. Boss hofft, dass die Mülheimer ihrem Leihradsystem eine Chance geben. „Wer Fragen hat, kann sich jederzeit an uns wenden.“

>>> Info: Rechtliche Prüfung steht noch aus

Ordnungsamtsleiter Bernd Otto kündigt eine umfassende rechtliche Prüfung an. Die Sachlage sei aber komplex, eine klare rechtliche Regelung existiere nicht.

Otto will sich auch nachweisen lassen, dass das Geschäftsmodell nicht auf einen Handel mit Daten aus ist. Andernfalls sei wohl eine Sondernutzungsgenehmigung nötig.