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Gerichtsentscheid nach »Dooring«-Unfall Radfahrer rast in Autotür – Pkw-Fahrer trägt volle Schuld

Immer wieder verletzen sich Radfahrer, die in geöffnete Autotüren krachen. Nun hat das Landgericht Köln in einem solchen Fall entschieden: Der Autofahrer haftet zu 100 Prozent – und muss Schmerzensgeld zahlen.
Ein Radfahrer weicht auf der Straße aus, während ein Autofahrer die Tür seines Autos öffnet (Archivbild)

Ein Radfahrer weicht auf der Straße aus, während ein Autofahrer die Tür seines Autos öffnet (Archivbild)

Foto: Thomas Trutschel / photothek / IMAGO

Eine solche Situation kennt nahezu jede Radfahrerin und jeder Radfahrer: Man fährt an einer Reihe parkender Autos entlang – plötzlich geht eine Tür auf. Im schlimmsten Fall folgt ein sogenannter »Dooring«-Unfall, der Radler kollidiert mit der offenen Tür.

Nach einem solchen hat das Kölner Landgericht nun einen Autofahrer zur vollen Haftung für die Schäden verurteilt. Er hatte seine Fahrertür so geöffnet, dass ein Rennradfahrer mit ihr kollidierte und sich schwer verletzte.

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Die Versicherung des Autofahrers hatte zunächst nur eine Haftung von 75 Prozent anerkannt. Der Radfahrer habe eine Mitschuld, weil er das parkende Auto in zu geringem Abstand passiert habe. Er hätte zudem mitbekommen können, dass der Autofahrer nach dem Einparken seine Tür habe öffnen wollen, argumentierte die Assekuranz.

Dies wollte der Rennradfahrer so nicht stehen lassen, klagte und bekam recht: Der Autofahrer müsse sich beim Öffnen der Fahrertür so verhalten, dass eine Gefährdung anderer ausgeschlossen ist, teilte das Gericht am Mittwoch mit (Az: 5 O 372/20). Dass der Radfahrer zu wenig Seitenabstand gehalten habe, könne nicht angenommen werden. Es habe hohes Verkehrsaufkommen geherrscht.

Der Rennradfahrer selbst gab an, schneller als Tempo 30 gefahren zu sein, was an der Unfallstelle erlaubt gewesen sei. Daraus könne ihm auch kein Vorwurf gemacht werden, befand das Gericht. Er habe »mit einer so groben Unachtsamkeit des Autofahrers« nicht rechnen müssen, hieß es. Er sei durch den Unfall nicht nur in seinem Beruf als Unfallchirurg eingeschränkt, sondern auch in seiner Freizeit, hatte der Kläger geschildert. Ihm stünden 7500 Euro Schmerzensgeld zu, entschied das Gericht.

Einer Studie zufolge kommen solche Unfälle durch unachtsam geöffnete Fahrertüren häufiger vor, als angenommen wurde. Eine Untersuchung der Unfallforschung der Versicherer (UDV) gab 2020 den Anteil der innerörtlichen Unfälle von Radfahrern und Fußgängern, die mit dem Parken in Verbindung stehen, mit 18 Prozent an. Das lag über dem Wert von amtlichen Statistiken, nach denen nur fünf Prozent aller Unfälle mit verletzten Fußgängern und Radfahrern mit parkenden Autos in Verbindung stehen.

In der Studie zeigte sich, dass vor allem das Dooring eine große Gefahr darstellte. In innerstädtischen Gebieten waren 52 Prozent der mit parkenden Fahrzeugen zusammenhängenden Fahrradunfälle auf hastig geöffnete Autotüren zurückzuführen.

Straßenbahngleise als besondere Gefahr

Solche Unfälle enden für Radfahrer oft mit Kopfverletzungen und sind schwer vorherzusehen. So müsste ein Radfahrer, der 20 km/h fährt, mindestens elf Meter vorher bemerken, dass die Tür aufgeht, um rechtzeitig zum Stillstand zu kommen. Ein Ausweichen ist wegen gleichzeitig überholender Autos oft nicht möglich.

Als zusätzliche Gefahr entpuppten sich der Studie zufolge Straßenbahngleise. So geschah jeder fünfte Dooring-Unfall in den Untersuchungsgebieten auf Straßen mit dort verlegten Trambahngleisen. Radfahrer können auf solchen Abschnitten demnach oft keinen ausreichenden Abstand zu parkenden Autos halten, ohne die Gleise queren zu müssen – und beim Ausweichen können diese einen Sturz verursachen.

joe/dpa