Katja Diehl Autokorrektur
Der ADFC hat ein ambivalentes Verhältnis zu Katja Diehl. Die einen mögen sie, verehren sie, andere sehen sie skeptisch, durchgeknallt, kommerzbetont. Die einen sind Fans, die ihre Vorträge x-mal hören können. Die zweite Gruppe hakt ihr Thema nach Kenntnisnahme ab. Die dritte Gruppe schüttelt den Kopf.
 
 
Bei Veranstaltungen des ADFC RheinBerg-Oberberg in jüngerer Zeit habe ich ADFC-Mitglieder nach Katja Diehl befragt. Die meisten konnten mit dem Namen nichts anfangen, andere antworteten kritisch. So berichtete eine Kollegin einer Ortsgruppe, Katja Diehl sei ihr (so wörtlich) unsympathisch erschienen nach der Rede in Düsseldorf; ich selbst habe die Rede dort nicht wahrgenommen. Andere meinten, der Auftritt in Düsseldorf habe viel Geld gekostet. Wieder andere meinten, sie spalte die Gesellschaft.
 
Im Leserforum der bundesweit erscheinenden Radwelt wurde Katja Diehl nach einem Interview zerpflückt. Sie argumentiere einseitig und hinterfrage nicht die Gesamtheit des automobilen Status Quo.
 
Neugierig um diese Autorin habe ich ihr Buch in einer Bücherstube gelesen. Gekauft habe ich es nicht. Aus folgenden Gründen:
 
Katja Diehls Buch
 
Bereits früher sind viele Bücher zur Vormachtstellung des Autos erschienenen. In Büchern wie „Alptraum Auto“, „ADAC-ade“, „Wissen über Auto und Umwelt“, „Eisenbahn und Autowahn“, „Pro Fahrrad“ ua. wurden ökologische und ökonomische Themen neben Technikthemen entsprechend der Zeit der 80er und 90er Jahre vorgestellt. Katja Diehl begrenzt 30 Jahre später klassische Anti-Auto-Themen auf wenige Kapitel wie z.B. in „Raum“ und „Autokorrektur Fakten“. Pragmatische Lösungsansätze zu Raumplanungs-Architektur (vergleiche Schriften des Stadtplaners Peter Gwiasda) sind nicht vorhanden. Auch eine machbare Güterlogistik für die Stadt und physikalisch-technische Themen sind ausgeklammert. Dabei gibt es heute die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, die in den Schriftwerken RASt und ERA Alternativen zur Vormachtstellung des Autos anbieten. Desweiteren gibt es heute E-Bikes, Radstreifen und z.B. den E-Antrieb bei Autos; Benziner verschwinden, E-Modelle rücken nach. Und da Katja Diehl das Auto nicht verteufeln will (schreibt sie mindestens), wäre es interessant zu erfahren, wieviel Kilowattstunden benötigen Autos bei einem bestimmten Gewicht für eine bestimmte Fahrt im Vergleich zu E-Bikes? Welchen Wirkungsgrad haben Batterieladeeinrichtungen im Verhältnis zur Thermodynamik eines Verbrenners? Welches CO2-Äquivalent zeigen E-Autos versus Benziner, versus Diesel? Schließlich gilt der Satz früherer Bücher heute nicht mehr unbedingt, der da hieß: „eine Nation hängt am Benzinschlauch wie an der Nabelschnur.“ Kein Wort verliert die Autorin über Datenspeicherungen einer veritablen Beobachtungsstation, die Bilder vorübergehender Fußgänger erfasst (ein amerikanisches Modell verfügt darüber). Kein Wort über die Problematik selbstfahrender Autos. Hier wäre dringend eine Korrektur des modernen Autos nötig, was „Autokorrektur“ offen lässt...
 
Das Hauptproblem des Buches ist aber folgender:
 
Es wird der Eindruck erweckt, die autogerechte Stadt sei für Männer da, Frauen sind die Opfer. Automobilität sei männlich, heißt es direkt zu Beginn. Fahren Frauen Auto, transportieren sie Kinder, erledigen Einkäufe oder besuchen Kranke; für Frauen ist Autofahren offenbar legitim. Sind also Handwerker, die in ihren Werkstatt–Lieferwagen für die Gesellschaft unterwegs sind, nicht legitimiert, Auto zu fahren im Gegensatz zu kindertransportierenden Müttern!? Ich kann diese Sichtweise nicht nachvollziehen! Was ist mit den überflüssigen Elterntaxis (wurde dieser Tage in der Rösrather ADFC-Runde thematisiert)!
 
Desweiteren schreibt sie, die Sicherheiten in Autoinnenräumen sind auf Männer zugeschnitten, nicht auf die Sicherheitsansprüche für Frauen. Seltsam, dass sie sich hierbei auf Studien des ADAC beruft, jener Verein, der früher mit dem Satz „der Zivilisierte fährt Auto, alles andere ist eine niedere Bewegungsform“ die Folgezeit prägte. Beim Fahrrad ist es ähnlich: der Radsport sei eine Männerdomäne; wiederum kritisiert Kaja Diehl Männer, die an Frauenfahrrädern was falsch machen. Männer sind erst dann der Autorin für Interviews genehm, wenn sie nicht Auto fahren.
 
Durch den Buchinhalt hindurch wird wieder und wieder von „weißen Männern“ gesprochen, um die Männerwelt per se von Frauen zu spalten. Man stelle sich vor, ein Mann redet von „Blondinen“ oder von „schwarzen Frauen“, wäre das nicht sexistisch, wenn gar rassistisch?! Diese Diskriminierung macht die Krux der ganzen Diskriminierungsdebatte deutlich. Und da Katja Diehl im Interview durch den Bundes-ADFC wiederum vom „weißen Mann“ sprach, ist es kein Wunder, dass im Forum der Radwelt die emanzipierten Frauen aufs Korn genommen wurden: Wie heute allgemein üblich, gurken die „wohlhabenden Frauen und Töchter der alten weißen Männer“ mit ihren Familien-Zweitwagen oder –Drittcabrios durch die Stadt und produzieren dort vermeidbare Staus, CO2 und alle schädlichen Einflüsse...
 
Als dann noch von Transmenschen zu lesen war (seitenlange Interviews mit ihnen), die nach Anzahl der Interviews so häufig erwähnt werden, dass man den Eindruck gewinnen könnte, sie seien zahlenmäßig ebenso groß wie die Gruppe der Männer und Frauen - obwohl sie statistisch gesehen eine Minderheit, wenn nicht eine Kleinstminderheit bilden - habe ich mir die Frage gestellt, was diese Themen überhaupt in einem Buch über Verkehrswende soll. Möchte die Autorin die geschasste Männerwelt durch Geschlechtsumwandlung dezimieren!? Möchte sie damit den Frauenanteil erhöhen, die dann wieder zu Opfern stilisiert werden!? Begriffe wie „Weiße, heteronormative Mehrheitsgesellschaft“ – was immer sie damit sagen will – benutzt die Autorin im Prolog und ähnliche Begriffe durchziehen das ganze Buch.
 
Nachtreten gegen ehemalige Kollegen
 
Und sie polarisiert gegen Kollegen. In einem Kapitel rechnet die Autorin mit ihren männlichen Ex-Chefs ab. Sie erläutert nicht eine Anordnung nach betrieblicher Notwendigkeit, sondern deskreditiert ihre Chefs, weil sie Männer sind. Gendern sei überflüssig, sie waren Männer, heißt es dort! An anderer Stelle schreibt sie wörtlich: „...in dem ich...auf eine Horde von Männern traf...“, gemeint sind Kollegen, die andere Meinungen haben. Man stelle sich vor, ein Autor schreibt öffentlich, er sei auf eine „Horde“ von Transmenschen gestoßen, welchen Shitstorm dies nach sich ziehen würde... Auch hier wieder die Doppelmoral der Diskriminierungsdebatte! Ich habe das Buch nach stundenlanger Lektüre genervt beiseitegelegt, zumal wichtige Themen zu RASt, ERA, FaNaG, Technik nicht mal ansatzweise angeschnitten werden.
 
Passagen aus dem Buch habe ich mit meiner Gattin und meinen erwachsenen Töchtern diskutiert, um auch die Meinung weiblicher Personen zu hören. Meine Frau erwähnt, früher gab es keine Frauenrechte, heute aber können Frauen jeden Beruf ergreifen und Frauen und Männer arbeiten in Teams. Zu den Ausschweifungen „männliche Exchefs“ und „Horde von Männern“ sagt sie, Katja Diehl mag wahrscheinlich nicht teamfähig gewesen zu sein und benutzt ihr Buch für Nachtritte. Weiter erläutert sie, Katja Diehl wüsste sich heute als Gender-Theoretikerin zu vermarkten, wobei die Pauschalverurteilungen von Männern nicht besonders klug sind. Eine Tochter meint, Autofahren sei nicht männlich, sieht sich als Pädagogin und Frau nicht in die Opferrolle hineingezwängt – weder beim Radfahren noch beim Autofahren. Eine andere Tochter mit zwei Kleinkindern berichtet, Frau Diehl stehe mit ihrer Meinung zu Transgendern konträr zur Meinung von Ur-Feministin Alice Schwarzer, für die Frauen und Männer keine soziale Konstruktion sind und ein Mann durch eine Geschlechtsumwandlung nie zu einer Frau wird. Eine dritte Tochter (hauptsächlich mit dem Rad unterwegs, aber Führerscheininhaberin) sagt, Begriffe wie „alte weiße Männer“ sind diffamierend, beleidigend und sollten lediglich ein bestimmtes Klischee erzeugen. Wir sind uns in der Mädchen-Familie (ich einziger Mann) einig, dass eine Autorin, die gegen die „weiße cis-Mehrheitsgesellschaft“ ideologisiert, Gräben aufreißt und die Gesellschaft spaltet. Ich persönlich bin nach den Gesprächen mit meinen Mädels zu dem Entschluss gelangt, kein Geld für eine Frau bereitzustellen, um mit ihr gemeinsam ihr ausgeprägtes Männerfeindbild ausdiskutieren zu müssen. Einer Feministin mit gesellschaftsspaltendem Framing möchte niemand unserer Familie folgen.
 
Die Meinung einer Bundestagsabgeordneten und Publizistin
 
Auch für die Integrationsexpertin Lamya Kaddor ist das Gerede über „alte weiße Männer“ verächtlich. Das sei respektlos und hilft nicht dabei, gesellschaftliche Probleme zu lösen. Öffentlich formuliert besteht vor allem die Gefahr, jene zu verprellen, die man erreichen will. Wir sollten ebenso zuhören bei Gesprächspartnern, die weiß, männlich und älter sind, sagt sie. Andere abzuwerten sei nicht vorbildlich.
 
Der ADFC Rösrath hat „Mehr Miteinander“ initiiert. Mehr Miteinander heißt auch, Frauen und Männer wertschätzen sich gegenseitig, achten einander. Ein Buch, das latent und in Exkursen die Spaltung der beiden Geschlechter thematisiert und forciert – egal ob Frauen gegen Männer oder umgekehrt – gehört m.E. nicht zu uns. Keines der oben zitierten Bücher früherer Zeit, soweit ich sie in meinem Fundus habe, spaltet die Gesellschaft nach Geschlechtern. Was will also „Autokorrektur“? Katja Diehls Buch wäre mit nötigen ökonomischen sowie technischen Erläuterungen eine Fortsetzung jener Bücher mit neuen Fakten geworden, wenn die Autorin nicht ausschließlich Toleranz zu ihrer eigenen Sichtweise fordert, gleichzeitig zu Toleranz gegenüber der breiten, „heteronormativen“ Gesellschaft nicht bereit ist und Männer schon deshalb ausgrenzt, weil sie männlich sind. „Mehr Miteinander“ ist nicht ihr Ding.   
 
Der ADFC Rösrath versteht sich als realpolitisch agierender Lobbyverband, der niemand ausgrenzt. Gesellschaftsspaltende Ausschweifungen sind nicht unsere Sache. Es ist, wie es Lamya Kaddor zum Begriff um „weiße Männer“ klarstellt: Das Buch verprellt jene, die es ansprechen soll.
 
Johannes Schweinem, Oktober 2022
 
Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club
Kreisverband RheinBerg-Oberberg
Oberheidkamper Str. 52
51469 Bergisch Gladbach
 
Tel.: 02202-709673
Fax: 02202-709688
E-Mail: info@adfc-berg.de
www.adfc-rheinberg-oberberg.de