„Honig für Radfahrer, Essig für Autofahrer“

Das Erfolgsrezept in den Niederlanden ist ebenso simpel wie effektiv: Radfahrer haben Vorrang, Autofahrer werden mancherorts nur noch geduldet

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Von hinten sind drei Radfahrer im Vordergrund zu sehen, wie sie mitten auf einer Straße fahren.

Busy Streets – Auf neuen Wegen in die Stadt der Zukunft

Radfahrer im Straßenverkehr bevorzugen? Was in Deutschland noch undenkbar ist, ist in den Niederlanden seit Jahren gängige Praxis. Die 110 Meter lange Dafne Schippersbrug über den Amsterdamer Rhein-Kanal in Utrecht ist dafür ein Paradebeispiel. Die zwei Jahre alte Brücke ist die schnellste Verbindung zwischen dem neuen Stadtteil Leidsche Rijn und der Utrechter Innenstadt. Zukünftig sollen dort 80.000 Menschen wohnen und wenn es nach den Planern geht, werden viele von ihnen über eine der drei Fahrradbrücken ins Zentrum fahren. Die Dafne Schippersbrug dürfen nur Radfahrer und Fußgänger passieren, selbst Mopeds sind tabu. Damit will man Autofahrer aufs Bike locken.

„Mehr Radverkehr ist kein Selbstzweck“, sagt Ineke Spapé, Radprofessorin an der Universität Breda, Fachbereich Stadtentwicklung, Logistik & Mobilität. Mehr Radfahrer helfen den Städten und Kommunen dabei, ihre Klimaziele zu erreichen und lebendige Zentren für alle zu schaffen, erklärt sie. Deshalb räumen die Planer den so genannten Fietsen immer wieder Vorrang vor den Autoverkehr ein. Für manche deutsche Politiker ist das ein Schreckensszenario. Für die Niederländer ist das Teil ihrer Kultur.

Ob König, Bankchefin, Erzieher oder Kita-Knirps, alle fahren im Alltag mit dem Fahrrad – auf breiten, gut ausgebauten Wegen und einem eigenen in sich schlüssigen Wegenetz. „Um das zu erreichen, braucht man politischen Willen und eine Strategie“, sagt Ineke Spapé. Die Niederlande geben traditionell hohe Summen für den Ausbau ihrer Radinfrastruktur aus. Momentan liegt ein Schwerpunkt auf dem Bau von Radschnellwegen für Berufstätige. Sie sollen ihr Auto gegen E-Bikes tauschen und damit auch Strecken von zehn bis 20 Kilometer zur Arbeit bewältigen. Deshalb wurde das Budget laut der Radprofessorin für 2019 auf eine Milliarde Euro aufgestockt.

Allerdings reichten Geld und Infrastruktur allein nicht aus, um mehr Menschen fürs Bike zu begeistern, stellt die Radprofessorin fest. Planer benötigten dringend mehr Daten aus dem Radverkehr. Nur wer wisse, wie und wann Menschen ihre Strecken im Stadtverkehr mit dem Rad zurücklegen, könne Missstände beseitigen und den Menschen das Umsteigen schmackhaft, leicht und sicher machen.