Bergisch Gladbach - Fahrradstadt
Schildgen und der "Radweg" auf der Altenberger-Dom-Straße - oder: Warum der Schutzstreifen Radfahrende nicht schützt, sondern gefährdet.
Grundsätzlich gehören Fahrräder als Fahrzeuge nach § 2 Absatz 1 StVO auf die Fahrbahn. Es sei denn, es existieren Radfahrstreifen oder benutzungspflichtige Radwege.
Im Gegensatz zum Radfahrstreifen (umgangssprachlich Radspur) als durch Breitstrich getrenntem Sonderfahrstreifen gilt der Schutzstreifen als Teil der Fahrbahn und darf im Bedarfsfall (Begegnungsverkehr) und ohne Gefährdung des Radverkehrs von Kraftfahrzeugen befahren werden. Dieser ist durch gestrichelte, schmale Leitlinien markiert. Halten und Parken ist auf beiden Radverkehrsführungen untersagt. Der Mindestabstand zu Radfahrenden beim innerörtlichen Überholen von 1,50 m ist (nur) beim Schutzstreifen zwingend zu beachten.
Schutzstreifen, die nach ERA (Empfehlungen für Radverkehrsanlagen, für NRW verbindlich) eine Regelbreite von 1,50 m besitzen sind lediglich durch das „Rechtsfahrgebot“ für Radfahrende verpflichtend zu nutzen. Radfahrstreifen (min. Breite 1,85 m) unterliegen immer der Benutzungspflicht. Beide gelten aber nicht als Radweg im Sinne des baulich durch z.B. Bordstein, Grünstreifen o.ä. getrennt von der Fahrbahn angelegten Radweges. Ebendiese unterliegen nur dann der Benutzungspflicht, wenn sie entsprechend (Zeichen 237 „Radweg“, 241 „getrennter Rad-Gehweg“) gekennzeichnet sind.
Darüber hinaus gibt es alternativ noch die gemeinsame Führungmit Fußgänger*innen. Verpflichtend per Zeichen 240 „gemeinsamer Geh- und Radweg“ (Bild - unten links) oder als freiwilliges Angebot mit dem Zusatzzeichen 1022-10 „Radfahrer frei“. Bei beiden haben Radfahrende in besonderer Weise auf den Gehverkehr Rücksicht zu nehmen. Nach ERA ist diese Option der gemeinsamen Nutzung u.a. auf Straßen mit hoher geschäftlicher Nutzung und Hauptverbindungen des Radverkehrs auszuschließen.
Freigegebene Bussonderfahrstreifen (Umweltspur), Fahrradstraßen oder -zonen, Radschnellwege und durch Zusatzschild in Gegenrichtung freigegebene Einbahnstraßen sind weitere Optionen zur Nutzung durch Fahrräder.
Die Altenberger-Dom-Straße (ABD-Str.) ist demnach zwischen Concordiaweg und Kempener Str. per Definition lediglich mit Schutzstreifen versehen. Ein baulich angelegter Radweg oder auch eine zulässige Gehwegnutzung existieren nicht.
Ältere und kaum noch sichtbare Fahrradpiktogramme in der Querung von Concordiaweg und Fahner Weg könnten auf eine erlaubte Radnutzung und damit einer Weiterführung des Zweirichtungsradweges aus Odenthal kommend ab Schlebuscher Straße auf dem Gehweg schließen lassen. Entsprechende Radverkehrszeichen und weitere Indizien fehlen aber in Gänze. Rechtssicher ist dies im Fall der Fälle eher nicht, und somit das Fahren auf der Fahrbahn auch in diesem Abschnitt vorgesehen.
Lediglich im Verlauf der Kempener Str. existiert bis zur Einmündung der Katterbachstraße ein Angebotsradweg. Ersichtlich durch die rote Pflasterung eines Teils des Gehweges kann (nicht verpflichtend) dieser durch Radfahrende beidseitig in jeweils eine Richtung genutzt werden. Besonderes Risiko besteht dabei in Richtung Paffrath, da dort ohne ausreichenden Abstand an parkenden Autos vorbeigeführt wird und Radfahrende durch das starke Gefälle zu hohen Geschwindigkeiten verleitet werden. Aufgrund eines Unfallschwerpunktes mit Radfahrer*innen sind auf diesem Streckenabschnitt bereits einige parallel angelegte Parkplätze entfallen und an gleicher Stelle ein Parkverbot eingerichtet worden. In Gegenrichtung behindern zahlreiche Poller an der Einmündung zur ABD-Str. eine sichere Nutzung ohne Ausweichen auf den Gehweganteil, an dem vor allem im Ampelbereich häufig Passanten anzutreffen sind.
Die Schutzstreifen und ihre konkrete Ausführung in Schildgen sind dagegen nicht nur als bedenklich, sondern eher als gefährlich einzustufen. Zahlreiche Publikationen und auch der ADFC weisen immer wieder auf das psychologische Missverständnis hin, bei welchem von Autofahrenden auch bei Schutzstreifen ausreichender Platz für Radfahrende „in ihrer eigenen Spur“ unterstellt wird. Ein notwendiger und vorgeschriebener Überholabstand wird dadurch u.U. nicht bzw. nicht ausreichend eingehalten.
Gefährdet werden Radfahrer*innen auf den die vorgeschriebene Breite von 1,50 m teils deutlich unterschreitenden Schutzstreifen an der ABD-Str. darüber hinaus nicht nur durch den fließenden Verkehr. Mindestens im gleichen Maße stellt auch der ruhende Verkehr für die Nutzung der Schutzstreifen ein erhebliches Risiko dar. Da ein nach ERA vorgeschriebener Sicherheitsstreifen von 0,5 m zur Abgrenzung zu den Parkplätzen entlang der ABD-Str. fehlt, werden Radfahrende unmittelbar durch die so genannte „Dooringzone“, also den Bereich, der beim Öffnen von Autotüren zur Kollision mit Fahrrädern führen kann, geleitet. Ein Abstand von ca. einem Meter bei der Vorbeifahrt an parkenden Fahrzeugen wird auch bei gerichtlichen Urteilen dringend empfohlen. Diese Vorgabe führt zum Fahren am linken Rand oder gar außerhalb der (zu schmalen) Schutzstreifen. Daraus generiert sich teils Unverständnis bei Autofahrer*innen, durch welches Radfahrende als Verkehrshindernis empfunden werden oder ihnen sogar provokante, da unnötig raumgreifende Fahrweise unterstellt wird.
Und zu guter Letzt ist die Fahrbahnbeschaffenheit des Schutzstreifens (und interessanterweise auch nur dort) entlang und auf der Seite der Herz Jesu Kirche durch die zahlreichen Schlaglöcher und Risse in einem katastrophalen Zustand.
Der Stadtrat von Bergisch Gladbach hat vor Monaten schon (lt. ASM: 23.02.2021, Ö12) zur kurzfristigen Absicherung des Radverkehrs in Schildgen die Verbreiterung der Schutzstreifen in den Bereichen, wo es aufgrund der Verkehrsraumbreite möglich ist, beschlossen. Allein an der Umsetzung durch die Stadtverwaltung scheint es zu hapern. Mittelfristig kann dies aber ohnehin nur eine Zwischenlösung darstellen.
Die aktuellen Planungen zur Umgestaltung der Altenberger-Dom-Straße scheinen die beschriebene Problematik zu berücksichtigen. Es wird in den Ausführungen ein deutlicher Schwerpunkt in die Anlage von sicheren, durchgängigen und möglichst baulich angelegten Radwegen entlang beider Seiten in vorgeschriebener Breite gelegt. Die steigende Anzahl der Radfahrer*innen allen Alters wird dieses Angebot dankend annehmen und sich freuen, zukünftig im Binnenverkehr der Nahversorgung, auf den Schulwegen und als Berufspendler, aber auch als Freizeit-Radler*in auf der Knotenpunktroute zwischen Bergisch Gladbach, Köln, Leverkusen und Odenthal sicherer unterwegs sein zu können. Gleichzeitig werden dadurch die Gehwege entlasten und auch Fußgänger*innen geschützt, da eine regelwidrige Nutzung durch Fahrräder damit sehr wahrscheinlich deutlich abnimmt.