200 Jahre Fahrrad - Teil 7 - Spezialräder
Auch bei den Spezialrädern gab es interessante Entwicklungen: Schon Ende des 1900 Jahrhunderts wollte man nicht mehr alleine auf dem Fahrrad sitzen. Es entstanden Mehrsitzer wie Tandem, Tridem, Quintuplet oder auch als Conference Bike. die meisten Mehrsitzer sind so gebaut, dass alle Fahrer hintereinandersitzen. So fuhren die 5 Opel Brüder schon 1900 mit einem Quintuplet zusammen Rad.

Bild: Die Gebrüder Opel auf einem „Quintuplet“ (ca. 1900)

(Bildquelle:Von Unbekannt - Sport-Album der Rad-Welt 1912, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=14769683)

 
 
 
Aber es muss nicht immer hintereinander sein: Beim Conference Bike sind 7 Sitzplätze im Kreis angeordnet, aber auch Variationen mit Sitzen nebeneinander sind bekannt.

Besonders ist das längste Tandem, gebaut von den Mitgliedern der Mijl Van Mares Werkploeg um Teamchef Frank Pelt aus den Niederlanden zu erwähnen, das mit einer Länge von mit 35,79 m besticht, während das kleinste fahrbare Tandem gerade einmal 22 cm lang ist, gebaut von den Deutschen Winfried Ruhloffs und Otto Troppmann

Lastenfahrräder erleben ja gerade eine Renaissance. Aber auch diese Idee ist natürlich nicht neu. Gerade im 19. Jahrhundert wurde in Ermangelung von motorisierten Fahrzeugen das Fahrrad sehr oft von Handel und Boten- und Kurierdiensten auch als Transportfahrzeug eingesetzt. Auch für den Krankentransport wurde das Fahrrad genutzt. Der erste offizielle Fahrradkurierdienst geht wahrscheinlich auf das Jahr 1984 zurück. In Amerika wurde ein Teil der Eisenbahnstrecke bei SanFrancisco bestreikt und ein findiger Unternehmer übernahm den Transport von Waren, Briefen und Paketen mit Fahrrädern. In Deutschland verlor das Lastenrad für Kurierdienste jedoch im Kaiserreich an Bedeutung, weil durch das Postmonopol bis 1914 alle privaten Kurierdienste eingestellt wurden.

Durch die industrielle Fertigung der Fahrräder kamen auch immer mehr Lastenräder ins Straßenbild, bis nach dem 2. Weltkrieg. Doch nach dem Krieg begann der Siegeszug der Automobile und so verschwand das Lastenrad wiel sich die Menschen aus Bequemlichkeit Ihre Waren mit dem Auto transportierten.

Doch seit einigen Jahren kommt das Lastenrad zurück und nimmt seinen sinnvollen Platz für einen emissionsfreien Waren- Kinder- und Tiertransport ein.

Und dann gibt es auch noch Liegeräder. Wenn man sich diese heute so anschaut, glaubt man kaum, dass es auch diese Räder seit Ende des 19. Jahrhundert gibt. In den Anfangsjahren waren es hauptsächlich Langlieger, die gebaut wurden.

Auf Grund der höhen Geschwindigkeiten, die mit Liegerädern gefahren werden können, wurden die Räder oft für Geschwindigkeitsrekorde genutzt. Die UCI erlaubte damals noch Liegerädern die Teilnahme am offiziellen Wettkampfbetrieb. So wurde 1933 ein Rekord aufgestellt mit rund 45 Stundenkilometern.

Am 01.April 1934 fasste die UCI den Beschluss Liegeräder vom Wettbewerbsbetrieb auszuschließen. Diese Entscheidung hemmte die Weiterentwicklung der Liegeräder bis in die 1980er Jahre.

Doch es entwickelte sich eine eigene aktive Szene rund um die Liegeräder, so dass es heute in Deutschland viele aktive Liegeradfahrer gibt.

Auch Falt- und Klappräder können auf eine lange Entwicklungsgeschichte zurückblicken: Der Brite William Grout entwickelte das vermutlich erste Falt- bzw. Zerlegerad und ließ es 1878 patentieren. Es war ein Hochrad mit Vollgummireifen, dessen Vorderrad sich in vier radiale Segmente zerlegen ließ, die mit dem gefalteten Rahmen Platz in einem dreieckigen Koffer fanden.



Historisches Klapprad von Wagtendonk, um 1910

(Bildquelle: Von Unbekannt - Winkler Prins Geillustreerde Encyclopaedie, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=12294094)





1896 wurde dann mit dem „Faun“ ein Faltrad mit Diamantrahmen patentiert, dessen Rahmen in der Mitte um eine senkrechte Achse gefaltet werden konnte – bis heute das am weitesten verbreitete Verfahren bei Falträdern.

Von dieser Form ausgehend entwickelte der britische Offizier Robert Baden-Powell um 1900 die Idee eines in drei Teile zerlegbaren Fahrrads für das Militär.

Im zivilen Bereich gab es in den 1920er bis 1940er Jahren diverse kleinrädrige Falträder wie das deutsche „Zaschka“ oder französische „Petit Bi“.

Eine herausragende Rolle in der Entwicklung von Falt- und Zerlegerädern spielt das „Moulton Stowaway“ vom Beginn der 1960er Jahre. Es verfügte neben seinem steifen, teilbaren Einrohrrahmen als erstes Fahrrad auch über eine Vollfederung mit Gummielementen. Auf diese Weise verband es Schnelligkeit, Wendigkeit und Fahrkomfort in bis dahin unbekannter Weise.






                                                          Moulton Stowaway 1967

(Bildquelle: Von Enter - Eigenes Werk, CC-BY-SA 4.0,
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=41303979)


Das „Moulton Stowaway“ löste die „Klappradwelle“ aus. Jeder Hersteller wollte ein Faltrad im Programm haben. Aus Kostengründen waren dies in der Regel jedoch sehr einfache Nachahmungen: zu kurzer Radstand, instabile Rahmenkonstruktion, keine Federung und oftmals den berüchtigten Kackeschieber als Vorderradbremse.

Etwas bessere Modelle hatten die Duomatic Nabenschaltung montiert.

Das schlechte Fahrverhalten dieser Nachahmermodelle brachte schließlich alle Falträder und kleinrädrigen Fahrräder derart in Verruf, dass die „Klappradwelle“ schon Ende der 1970er Jahre zusammenbrach.

Gleichzeitig begann jedoch auch in den 1970er Jahren die Entwicklung qualitativ hochwertiger Falträder. Zum Beispiel das „Brompton“ durch Andrew Ritchie. Es zeichnet sich vor allem durch eine sehr kurze Faltzeit und ein sehr geringes Faltmaß aus.



Klassisches Klapprad der 1970er Jahre

(Bildquelle: CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=444670)












Die Konstrukteurin und stellvertretende Leiterin des Fachausschuss Technik beim ADFC Juliane Neuß entwickelte mit dem „Brecki“ einen Liegerad-Umbausatz für das Brompton. Sie schuf so das erste echte faltbare Liegerad.

Seit Ende der 1980er-Jahre hat sich die in den USA von David Hon gegründete Firma Dahon zum größten Anbieter von Falträdern entwickelt – sowohl was die Anzahl der Modelle als auch was die Stückzahl betrifft.

In Deutschland sind vor allem die Firmen Bernds und Riese und Müller als Hersteller solider Falträder bekannt.

Dann war da natürlich noch DAS KULTOBJEKT der 1970er Jahre befasst, das sogenannten Bonanzarad.

Der Trend startete in den 1960er Jahren an der amerikanischen Westküste, schwappte durch die USA um dann ab den 1970er Jahren in Europa einzufallen.

Bonanza war ursprünglich ein Markenname, wurde aber auf Fahrräder ähnlichen Typs übertragen. Herstellerbezeichnungen wie „High-Riser“ und „Polorad“ setzten sich in Deutschland nicht durch.

Das Bonanzarad fällt besonders durch seinen Bananensattel mit Lehne, der Imitation einer Federung an der Vorderradgabel sowie den langen, zweiteiligen Hirschgeweih-Lenker auf. Im Kontrast dazu stehen die verhältnismäßig kleinen 20″-Räder. Der Schalthebel der 3-Gang-Nabenschaltung ähnelt dem eines Autos und ist mittig auf den beiden dünnen Oberrohren angebracht. Das Bonanzarad erinnert somit auf den ersten Blick an einen etwas zu kurz geratenen Chopper.

Doch erst die „Sonderausstattung“ machte das richtige Bonanzarad aus: Mercedessterne, Fuchsschwänze, Wimpel, besondere Lampen, Spiegel, eine Vielzahl von Reflektoren, in die Speichen gesteckte Bierdeckel oder Spielkarten oder auch eine batteriebetriebene Blinkanlage.

Bemerkenswert und für die deutschen Hersteller kennzeichnend ist die aufwendige Konstruktion der Vordergabel mit den funktionslosen Schraubenfedern und der doppelten Aufnahme für die beiden getrennten Lenkergestänge.  

Dieses motorradähnliche Detail findet sich weder beim US-Vorbild noch beim englischen Ableger. 










Bonanzarad mit Wimpelschmuck
                                                                                                         
(Bildquelle: Von --Xocolatl (talk) 00:00,9 May 2010 (UTC) - Eigenes Werk(selbst fotografiert), Gemeinfrei https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=10280283)






Doch alle optischen Vorzüge konnten das Bonanzarad nicht retten. Technische Mängel begleiteten zahlreiche Bonanzaräder und die Produktion fand ein Ende, als die BMX-Welle mit robusteren Fahrrädern aufwarten konnte.

Heute sind originale Bonanzaräder seltene und kostbare Sammlerstücke.
 
Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club
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