200 Jahre Fahrrad - Teil 8 - Freilauf und Gangschaltung
Der nächste Entwicklungsschritt bei der Fahrradtechnik galt nun der Freilauffunktion im Antrieb. Fahrradfahren verliert leicht seinen Reiz, wenn die Pedalen immer mitdrehen. Bei Gefälle ist das für den Fahrer schon recht anstrengend. Die erste Freilaufnabe ohne Bremse wurde von A. P. Morrow 1889 entwickelt und in den USA patentiert. Aber sie war unter Radfahrern zunächst sehr umstritten. Dieser Streit wurde in Deutschland erst nach 1903 durch die erfolgreiche Markteinführung der Torpedo-Freilaufnabe von Fichtel & Sachs mit integrierter Rücktrittbremse beendet.

Bild: Torpedo Freilaufnabe (mit Öler)

(Bildquelle: Von Віктор Ходєєв /Viktor Khodyeyev - Eigenes Werk, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=58168888 )        
            
 
 
 
An diesem Punkt kam natürlich der Wunsch nach einer Gangschaltung. Planetengetriebe wurden bereits seit den 1880er Jahren für Dreiräder verwendet. Erste Nabenschaltungen mit zwei Gängen für Fahrräder wurden von dem Amerikaner Seard Thomas Johnson im Jahr 1895 und von dem Engländer William Reilly 1896 erfunden. 1902 entwarf Reilly eine Dreigangnabenschaltung, die unter dem Namen seines Kollegen James Archer patentiert und von der Firma Sturmey-Archer produziert wurde.

Das erste deutsche Patent auf eine Nabenschaltung erhielt 1902 das Chemnitzer Unternehmen Wanderer, 1907 brachte Fichtel & Sachs eine Nabenschaltung mit zwei Gängen (Modellbezeichnung: Torpedo) auf den Markt. Der sogenannte Doppel-Torpedo wurde mit wenigen Veränderungen fast 50 Jahre lang gebaut. 1912 kam das nach einem Patent der Wanderer-Fahrradwerke von Fichtel & Sachs gefertigte Nachfolgemodell Universal-Torpedo mit vier Gängen und Rücktrittbremse auf den Markt. Weil der wirtschaftliche Erfolg ausblieb wurde die Produktion 1916 eingestellt.



Fichtel und Sachs, Modell 55, zerlegt

(Bildquelle:Von Markus Schweiss - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=244930)











Die heute sehr verbreitete Kettenschaltung kam erst sehr viel später auf den Markt und stammt von den Gebrüdern Nieddu. Deren Schaltung „Vittoria Margherita“ wurde 1935 von Gino Bartali als erstem Profi gefahren. Nach der damals recht bekannten französischen Schaltung „Super Champion“ (1937) erschien 1946 die erste Schaltung von Campagnolo, die im Gegensatz zu ihren Vorgängern weltweite Verbreitung fand.

Für den Straßenradsport war nur die Kettenschaltung massgeblich, die Nabenschaltung wurde bereits in den 1920er Jahren durch die UCI verboten.

Doch auch andere Schaltsysteme wurden entwickelt: Bereits in den 1930er Jahren wurden durch verschiedene Firmen wie Bismarck und Wanderer (als Zweigang), Adler (als Dreigang), Mutaped Dreigang, sowie BUEC mit der 'Vilex'- Fünfgang Schaltung. Die Idee hielt sich nicht sehr lange und verschwand wieder bis 1991die Schweizer Firma Schlumpf Innovations und dann 2010 die Firma Pinion das System wieder zum Leben erweckten.


Mutaped 3 Gang Tretlagerschaltung

(Bildquelle:https://de.wikipedia.org/wiki/User:Thomas Ernst)




                                                                                                








Adler 3 Gang von 1936


(Bildquelle:https://de.wikipedia.org/wiki/User: Benedikt Hoegel)










Doch nach den ersten Entwicklungen zur Gangschaltung ist bis in die Gegenwart noch viel passiert. In der DDR waren Nabenschaltungen beispielsweise nicht erhältlich, teilweise wurde dies durch Import tschechoslowakischer Favorit-Kettenschaltungen kompensiert.

In der BRD war in den 1960er und 1970er Jahren die 3 Gang Nabe von Fichtel und Sachs Typ 415 und 515 kommerziell besonders erfolgreich. Doch Mitte der 1970er Jahre das Modell 515 durch das Modell H3111S ersetzt werden, da es wegen der Leerlaufstellung zwischen dem zweiten und dritten Gang zum Ausfall der die Rücktrittbremse kommen konnte.

Parallel zum Klapprad-Boom der 1960er und 1970er Jahre, entwickelten und verkauften sowohl Fichtel & Sachs mit der Duomatic (ab 1964) als auch Sturmey-Archer 2-Gang-Nabenschaltungen die sich durch bloßes Zurücktreten der Pedale schalten ließen. Eine Sonderkonstruktion war auch noch die fliehkraftgesteuerte Automatiknabe von Fichtel & Sachs. Dieser technisch interessanten Konstruktion war jedoch kein Markterfolg beschieden.

Ab 1987 erweiterte Fichtel & Sachs das Programm mit der Pentasport-5-Gang-Nabenschaltung, die der Sturmey-Archer-5-Gang-Nabenschaltung ähnelt. Sturmey-Archer besaß das Patent auf diese Bauart seit Mitte der 1920er Jahre, ohne allerdings davon Gebrauch zu machen.

Ab 1993 kam dann von Sachs die 7 Gang Nabe auf den Markt. Diese setzte sich dann schnell mit einigen Änderungen als Standardnabe für Alltagsräder durch.

1996 brachte Sachs mit der Elan eine 12-Gang-Nabe auf den Markt, die mit 3,5 kg Gewicht ihrem Spitznamen „Waschtrommel“ alle Ehre machte. Leider war diese Nabe sehr störanfällig und ist darum schnell wieder verschwunden.




Sachs Elan 12 Gang Nabe


(Bildquelle: Von Kai Kowalewski - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11622719 )










1997 wurde die Fahrradsparte von Fichtel und Sachs von der Firma Sram übernommen. Diese stellten noch einige Jahre Getriebenaben her, aber seit 2015 zieht sich Sram immer mehr aus dem Bereich zurück und hat nun zum Stichtag 01. Mai 2017 die gesamte Nabenschaltungsproduktion eingestellt.

1999 kam von Rohloff eine14-Gang-Nabe auf den Markt: 1,7 kg leicht und in Wirkungsgrad und Übersetzung mit einer serienmäßigen 27-Gang-Kettenschaltung vergleichbar. Hauptnachteil ist ihr relativ hoher Preis. Doch bei Zuverlässigkeit und Übersetzungsverhältnis blieb sie lange ungeschlagen.

Der Stand der Technik ab Anfang des neuen Jahrtausends waren im Marktsegment der mittelpreisigen Getriebenaben die 7-Gang-Nabe von SRAM und die 7 und 8-Gang-Nabe Nexus von Shimano.

2010 brachte Shimano dann mit der Alfine eine Nabenschaltung mit 11 Gängen auf den Markt, die etwa ein Drittel der Rohloff Nabe kostet. Übersetzungverhältnis und Zuverlässigkeit kommen jedoch nicht an Rohloff heran.

Erst mit der Wiedereinführung von Tretlagergetrieben kamen Schaltungen auf den Markt, die beim Wirkungsgrad und auch bei der Zuverlässigkeit mit Rohloff gleichziehen konnten.
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