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»Fahrplan Zukunft – Eine Politik für das Auto«, lese ich. Es handelt sich dabei um ein 3 Seiten langes Positionspapier des FDP-Präsidiums, mit dem Ziel, sich gegen die »ideologisch motivierte und einschränkende Verkehrspolitik« zu wehren, die das Land angeblich im Griff hat. Darin fordert die Partei neben den Klassikern »kein Tempolimit« und »kein Verbrennerverbot« unter anderem kostenloses Parken, eine Park-Flatrate analog zum 49-Euro-Ticket. Fahrradstraßen und Fußgängerzonen sollen nur noch mit »schlüssigem Gesamtkonzept« errichtet werden dürfen und die Umwandlung von Parkplätzen in sogenannte Parklets, also Sitzmöglichkeiten für Fußgänger und Kund:innen für die Gastronomie, sollen verboten werden. Im Grunde die besten Hits der 1970er Jahre.So eine »Anti-Auto-Politik« brauche man nicht, findet die FDP, und beschließt ein Pro-Auto-Programm. Ich finde, so eine Partei brauchen wir nicht. In der Praxis geht der Trend tatsächlich in eine andere Richtung. Viele Städte suchen Wege, um weniger Autos in die Innenstädte zu leiten, nicht mehr. Denn Autoverkehr frisst Platz, emittiert klima- und gesundheitsbedrohende Schadstoffe, verursacht Lärm, ist eine konstante Quelle von lebensgefährlichen Unfällen. Stattdessen versuchen Kommunen, die Teilhabe von Fußgängern und Fahrradfahrern zu stärken sowie den Öffentlichen Nahverkehr auszubauen. Die Frage nach der AttraktivitätDoch weil der Platz in den Innenstädten begrenzt ist, gehen solche Maßnahmen oft zu Lasten des Autos. In Jena etwa hat das Rathaus von FDP-Bürgermeister Thomas Nitzsche die Erhöhung der Parkgebühren verkündet - von „kostenlosem Parken“ kann in der Thüringer 100.000-Einwohner-Stadt keine Rede sein. „Pkw dürfen nicht aus der Stadt ausgesperrt werden“, sagte Nitzsche dem „Spiegel“ . „Aber die Autos sollen in der Innenstadt möglichst nicht sichtbar sein, sondern schnell verschwinden. Lebenswert wird eine Innenstadt, wenn Autos nicht im Weg sind.“ Das Jena-Konzept: Günstige, aber begrenzte Parkplätze in Tiefgaragen und Parkhäusern, entlang der Straßen soll das Parken dafür teurer werden. „Gleichzeitig wollen wir den öffentlichen Personennahverkehr ausbauen und Radfahrer und Fußgänger massiv stärken“, erklärte Nitzsche. Jenas Kneipenmeile, die Wagnergasse, sei auch erst richtig aufgeblüht, seit sie zur Fußgängerzone umgewandelt wurde. „Wo Fußgängerzonen eingerichtet werden, wird die Innenstadt attraktiv“, so Nitzsche. Nicht mal der ADAC ist FanUnd nicht einmal die Menschen, denen die FDP mit ihren Plänen etwas Gutes tun will, würden davon profitieren, warnen Experten. „Es ist zu befürchten, dass eine Parking-Flatrate noch nicht einmal den Autofahrern hilft“, warnt Felix Creutzig, Verkehrsforscher und Professor an der Technischen Universität in Berlin, gegenüber FOCUS online Earth. „Eine erhöhte Nachfrage nach Parkplätzen hätte mehr Parksuchverkehr und Stau zur Folge, frustrierte Pendler und Anwohner, die keinen Parkplatz In der Praxis geht der Trend tatsächlich in eine andere Richtung. Viele Städte suchen Wege, um weniger Autos in die Innenstädte zu leiten, nicht mehr. Denn Autoverkehr frisst Platz, emittiert klima- und gesundheitsbedrohende Schadstoffe, verursacht Lärm, ist eine konstante Quelle von lebensgefährlichen Unfällen. Stattdessen versuchen Kommunen, die Teilhabe von Fußgängern und Fahrradfahrern zu stärken sowie den Öffentlichen Nahverkehr auszubauen. Die Frage nach der AttraktivitätDoch weil der Platz in den Innenstädten begrenzt ist, gehen solche Maßnahmen oft zu Lasten des Autos. In Jena etwa hat das Rathaus von FDP-Bürgermeister Thomas Nitzsche die Erhöhung der Parkgebühren verkündet - von „kostenlosem Parken“ kann in der Thüringer 100.000-Einwohner-Stadt keine Rede sein. „Pkw dürfen nicht aus der Stadt ausgesperrt werden“, sagte Nitzsche dem „Spiegel“ . „Aber die Autos sollen in der Innenstadt möglichst nicht sichtbar sein, sondern schnell verschwinden. Lebenswert wird eine Innenstadt, wenn Autos nicht im Weg sind.“ Das Jena-Konzept: Günstige, aber begrenzte Parkplätze in Tiefgaragen und Parkhäusern, entlang der Straßen soll das Parken dafür teurer werden. „Gleichzeitig wollen wir den öffentlichen Personennahverkehr ausbauen und Radfahrer und Fußgänger massiv stärken“, erklärte Nitzsche. Jenas Kneipenmeile, die Wagnergasse, sei auch erst richtig aufgeblüht, seit sie zur Fußgängerzone umgewandelt wurde. „Wo Fußgängerzonen eingerichtet werden, wird die Innenstadt attraktiv“, so Nitzsche. Nicht mal der ADAC ist FanUnd nicht einmal die Menschen, denen die FDP mit ihren Plänen etwas Gutes tun will, würden davon profitieren, warnen Experten. „Es ist zu befürchten, dass eine Parking-Flatrate noch nicht einmal den Autofahrern hilft“, warnt Felix Creutzig, Verkehrsforscher und Professor an der Technischen Universität in Berlin, gegenüber FOCUS online Earth. „Eine erhöhte Nachfrage nach Parkplätzen hätte mehr Parksuchverkehr und Stau zur Folge, frustrierte Pendler und Anwohner, die keinen Parkplatz mehr finden.“ Daher würden die meisten Ökonominnen und Ökonomen auch ein „räumlich differenziertes Bepreisen“ des Autoverkehrs empfehlen, so Creutzig: In der Stadt, wo Platz knapp ist, brauche es andere Konzepte als auf dem Land. Kein Wunder also, dass nicht einmal der Automobilclub ADAC sich für den FDP-Vorstoß begeistern kann. Fahrradstraßen leisteten einen guten Beitrag, um den Verkehr stärker zu trennen und so die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmenden zu erhöhen, hieß es in einer Stellungnahme. Und: „Wo heute schon Verkehrsprobleme aufgrund knapper Flächen bestehen, sollten Pull-Effekte für den Pkw vermieden werden.“ Der Bund kann gar nichts machenDer Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) forderte außerdem mehr Respekt vor der Entscheidungskompetenz der Kommunen. „Klar ist, dass es keine Patentrezepte für die Innenstädte und Ortskerne gibt", sagte Hauptgeschäftsführer André Berghegger dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Die notwendigen Entscheidungen müssen vor Ort von den Stadt- und Gemeinderäten nach dem Grundsatz der kommunalen Selbstverwaltung getroffen werden.“ Notwendig sei ein ausgewogener Mix aus ÖPNV, Fahrradwegen, Fußgängerzonen und Angeboten für Autofahrer. Für diese komplexen Herausforderungen gebe es selten einfache Lösungen. Tatsächlich räumte auch die FDP bei Vorstellung des Papiers ein, dass der Bund hier gar nichts vorzuschreiben hat: Das Erheben von Parkgebühren fällt in die Zuständigkeit der Kommunen. Die Bundesebene könne die Kommunen lediglich auffordern, die von der FDP skizzierten Maßnahmen zu ergreifen, sagte der brandenburgische FDP-Chef Zyon Braun. Er soll eine zur Verkehrspolitik eingesetzte Arbeitsgruppe der Liberalen leiten. Hinzu kommt: Die Rechte der Kommunen, was die Gestaltung ihres eigenen Verkehrs angeht, wurden erst zuletzt gestärkt. Seit Juni dürfen Gemeinden dank einer Reform des Straßenverkehrsgesetzes freier als früher Sonderfahrspuren für Busse und Fahrräder einrichten oder Tempo-30-Zonen ausweisen. “Mit der Gesetzesänderung wollen wir das Straßenverkehrsgesetz den Bedürfnissen einer modernen Verkehrsplanung anpassen", sagte Verkehrsminister Volker Wissing damals, nachdem er die Reform im Bundesrat durchgeboxt hatte. „Wir vermeiden damit Bürokratie und erweitern die Gestaltungsmöglichkeiten der Kommunen.“ Die Partei, der Wissing angehört: die FDP. Während Städte wie Paris ihre Innenstädte klima- und kinderfreundlich umbauen, fordert die FDP die Rückkehr des Autos in die Innenstädte mit kostenlosen Parkplätzen. Mobilitätsforscherin Katja Diehl hat da eine bessere Idee Wahrscheinlich täten wir alle gut daran, auf den absurden Plan „pro Auto“ der Bundes-FDP gar nicht zu reagieren. Ihn einfach mit Nichtachtung zu strafen. Aber in Zeiten, wo Empörung Klicks und damit Reichweite generiert, ist das schwer durchzuhalten. Beginnen wir mit einem überraschenden Fakt: Die Hölle ist für die FDP bereits zugefroren. In einem Interview mit der taz kritisierte ausgerechnet der Automobilclub Deutschland (ADAC) die Pläne der FDP ungewohnt deutlich: Im Fokus müsse stehen, „Mobilität zu ermöglichen, Klimaschutz zu stärken. Fahrradstraßen leisten einen guten Beitrag, die Verkehre stärker zu trennen und so die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmenden zu erhöhen.“ Wow. Das ist mal ein Schlag mitten ins Gesicht, wenn sogar ein einstiger zuverlässiger Partner „pro Auto“ so deutlich macht, dass es in Zeiten der Klimakatastrophe widersinnig ist, dem liebsten Kind der Deutschen noch mehr Raum und Geld und Vorteile einzuräumen! Städte sind bis zu acht Grad heißerWas sagen denn die „Betroffenen“, also die Städte und Gemeinden, die die autofreundlichen Pläne der FDP umsetzen müssten? Diese reagieren angemessen verschnupft. Nicht zuletzt auch, weil 1.109 Städte, Gemeinden, Landkreise und ein Regionalverband mehr Entscheidungsfreiheit bei der lokalen Ausgestaltung – zum Beispiel von Tempo 30 – einfordern. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, bringt es beim RND auf den Punkt: „Wir wollen Städte für Menschen. Deshalb klingen Forderungen nach autogerechten Innenstädten wie von vorgestern. Innenstädte sind nicht zuerst Parkplätze.“ Ein weiterer nicht unwichtiger Fakt: Der FDP-Spitzenkandidat für die brandenburgische Landtagswahl im Herbst, Zyon Braun, übernimmt die Leitung einer FDP-Arbeitsgruppe für diesen Plan. Haben wir nicht einen FDP-Bundesminister zum Thema Verkehr? Zu den Fakten: Wussten Sie, dass Städte bis zu acht Grad heißer sind als das Umland? Dass es immer mehr „Tropennächte“ gibt, in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad sinkt? Das hat massive Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Menschen verlieren schon heute 44 Stunden Schlaf pro Jahr durch hohe nächtliche Temperaturen. Bei jedem Grad mehr Nachttemperatur sind Frauen 25 Prozent stärker betroffen als Männer – Menschen über 65 Jahren sogar doppelt so stark. Im Sommer 2022 starben in Europa hitzebedingt 61.000 Menschen. Die Forschung spricht hier vom urbanen Hitzeinseleffekt, der vor allen in Zeiten der Klimakatastrophe mehr und mehr in den Fokus von Stadtgestaltung rückt. Er entsteht vor allem dort, wo Luft nicht mehr frei zirkulieren und Hitze nicht mehr frei an die Umgebung abgegeben werden kann. Das ist vor allem dort der Fall, wo für Autofahr- und -parkflächen der Boden versiegelt und die Straße mit stehenden Autos belegt ist. Die Temperatur des Asphalts wird in der Sonne über 60 Grad heiß, parkende Autos fungieren als zusätzlicher Wärmespeicher, da das Wageninnere bei Außentemperaturen von 30 Grad auf 56 Grad aufheizen kann. Auch unter den Autos sammelt sich Hitze, die in der Nacht abgegeben wird – und Abkühlung verhindert, auch weil Autos wie eine Barriere für die freie Luftzirkulation im Straßenraum wirken. -- 583 Autos pro 1000 Einwohner gibt es in Deutschland. Und wenn es nach der FDP geht, ist das nicht genug. Die Partei hat ein „Pro-Auto-Programm“ ausgeheckt, garantiert frei von grünen Lastenrad-Muttis, Zweirad-Pendlern, Fußgängern und anderen aufmüpfigen Randgruppen, die sich der Freiheit in Form der omnipräsenten Blechlawine in den Weg stellen. Meine Güte, muss diese angeblich liberale Partei verzweifelt sein, wenn sie sich solch einen Murks ausdenkt. Nun muss man Christian Lindners hemdsärmeliger Truppe zugutehalten, dass sie wirklich ums Überleben kämpft. Da kommt man schon mal auf komische Ideen. Und die potenzielle Zielgruppe ist groß: Selbst im rot-grün-versifften Hamburg gibt es ja 813.000 Pkw, die irgendwem gehören. All diese anständigen Autofahrer, da ist sich die FDP sicher, werden von einer dunklen Macht gegängelt und bedrängt: den Grünen. Der „Auto-Plan“ der FDP: keine Fußgängerzonen, keine Fahrradstraßen„Wir brauchen keine Anti-Auto-Politik“, trötet daher Generalsekretär Bijan Djir-Sarai munter drauflos. Man stelle sich „aktiv gegen eine grüne Politik der Bevormundung“. Und deshalb solle jetzt Schluss sein mit Parkgebühren in Innenstädten, auch sollten keine weiteren Fußgängerzonen oder gar Fahrradstraßen eingerichtet werden – und wenn, dann nur noch mit Beteiligung der Bürger. Klingt wie AfD oder Satire, ist aber ernst gemeint. Zwei Dinge sind daran erstaunlich: Erstens, dass die FDP meint, dass Bürger immer für das Auto seien. Zweitens, dass die FDP immer Technologieoffenheit fordert, aber ausgerechnet beim Verkehr nur für das Auto kämpft, nicht für Züge, Busse, Räder. Dabei ist zum Beispiel das Fahrrad doch der Inbegriff von Freiheit: individuell, unabhängig, fast umsonst und absolut herrschaftsfrei. Die FDP hat das mit der Freiheit leider falsch verstandenKönnte es also sein, dass die FDP da was mit der Freiheit falsch verstanden hat? Könnte es sogar sein, dass deshalb in allen liberalen deutschen Großstädten die Grünen weit vor der FDP liegen? Könnte die antifreiheitliche Verkehrspolitik der FDP womöglich gar ein Grund dafür sein? In der FDP sträubt man sich, solch ketzerische Gedanken zuzulassen, und spricht lieber von einem „Kulturkampf“, der gegen das Auto geführt werde. Und es stimmt ja auch: Das Auto soll Platz abgeben, zumindest dort, wo der Platz knapp ist. Was aber auch kein Problem sein sollte, da das Auto bislang fast allen Platz im Straßenraum für sich beansprucht. Nun behaupten die selbsternannten Liberalen, dass mehr Autos die Innenstädte beleben, weil dann mehr Leute zum Einkaufen kommen. Das ist ungefähr so sinnvoll wie die Behauptung der Grünen, mit der Abschaltung von Atomkraftwerken helfe man dem Klimaschutz, weil diese die Stromnetze verstopften. Die Innenstädte veröden, weil die Menschen heute alles im Internet kaufen und die Zentren langweilige Orte geworden sind. Noch mehr asphaltierte und zugeparkte Plätze dürften kaum die Aufenthaltsqualität steigern, im Gegenteil. Deshalb fordert ja auch jeder ernst zu nehmende Stadtplaner, mehr Platz für Fußgänger, Gastronomie, Kultur zu schaffen. Deshalb wirkt jede Altstadt mit Fußgängerzone attraktiver als ein Vorstadteinkaufszentrum mit Riesengarage. Solche Gedanken haben in der „Platz da, hier komm ich“-Partei aber offenbar keinen Platz mehr. |
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