Verkehrssicherheit in Einbahnstraßen mit gegengerichtetem Radverkehr

Nachdem die StVO-Novelle und die neue Verwaltungsvorschrift von Bundesrat und Bundesregierung verabschiedet worden ist, sind auch in Bergisch Gladbach, viele Einbahnstraßen für den gegenläufigen Radverkehr freiggegeben worden.

Einbahnstrassen-Öffnung
Einbahnstrassen-Öffnung © Bernhard Werheid

Verkehrssicherheit in Einbahnstraßen mit gegengerichtetem Radverkehr

BASt-Bericht V 83 aus dem Jahr 2001

Einbahnstraßen dienen innerorts vorrangig der Lenkung und Regelung des Kfz-Verkehrs. Für den Radverkehr unterbrechen sie dagegen vielfach direkte Radverkehrsverbindungen und erschweren die Benutzung verkehrsarmer Erschließungsstraßen. Deswegen wurden schon in der Vergangenheit in vielen Städten Einbahnstraßen für den gegengerichteten Radverkehr geöffnet. Diese Entwicklungen und vorliegende meist positive Erfahrungen führten zu der am 01.09.1997 in Kraft getretenen StVO-Regelung, dass das Rad fahren in Gegenrichtung von Einbahnstraßen - zunächst versuchsweise befristet bis zum 31.12.2000 - unter bestimmten Bedingungen zugelassen werden kann. Ziel der Untersuchung war es, die Verkehrssicherheit in Einbahnstraßen mit zugelassenem gegengerichteten Radverkehr vertiefend zu analysieren und im Vergleich mit nicht geöffneten Einbahnstraßen zu bewerten.

Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass die Problematik bezüglich der Verkehrssicherheit des Radverkehrs in Einbahnstraßen insgesamt nur gering ist. Eine Öffnung der Einbahnstraßen lässt weder in Bezug auf die Zahl der Unfälle noch die Unfallschwere negative Auswirkungen erkennen. Tendenziell lassen die Ergebnisse unter Heranziehung anderer Untersuchungen sogar einen Sicherheitsgewinn erwarten.

Auch in Bergisch Gladbach tut sich was. Nachdem die StVO-Novelle und die neue Verwaltungsvorschrift von Bundesrat und Bundesregierung verabschiedet worden ist, sind auch in Bergisch Gladbach, noch vor Eintrag in dem Gesetzesblatt, viele Einbahnstraßen für den gegenläufigen Radverkehr freigegeben worden. Andere Kommunen in RheinBerg und Oberberg agieren da sehr viel vorsichtiger. Der ADFC hat sich immer schon für die Freigabe eingesetzt und wird jetzt auch genau darauf schauen, ob die Sollvorschrift auch umgesetzt wird.

Verwaltungsvorschriften regeln für die Straßenverkehrsbehörden beispielsweise die einheitliche Aufstellung von Verkehrsschildern. Die StVO und die VwV geben den Straßenverkehrsbehörden neue Möglichkeiten zur Förderung des Radverkehrs, wie z.B. die Einrichtung von Fahrradzonen und die erleichterte Freigabe von Einbahnstraßen.

Diese umfassenden Forschungsberichte lassen heute keine Zweifel mehr zu, dass die Öffnung der Einbahnstraßen für den gegenläufigen Radverkehr in der Regel einen großen Beitrag zur verbesserten Verkehrssicherheit in Innenstädten leistet.

Freigabe von Einbahnstraßen hat sich bundesweit bewährt

In ihrem Forschungsbericht Nr. 41 „Sicherheitsbewertung von Fahrradstraßen und der Öffnung von Einbahnstraßen“ hat die Unfallforschung der Versicherer (UDV) 2016 den Stand der Literatur erfasst und durch eigene Untersuchungen, u. a. in Köln, ergänzt.

Nach VwV-StVO, RASt 06 und ERA 2010 (FGSV 2006, FGSV 2010) sollen Einbahnstraßen im Regelfall für den Radverkehr in beide Richtungen geöffnet werden, es sei denn Sicherheitsbedenken sprechen dagegen. Dies ermöglicht eine kontinuierliche Radverkehrsnetzgestaltung. Voraussetzung für die Öffnung einer Einbahnstraße für den Radverkehr ist eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 Km/h. Nach der VwV-StVO muss eine ausreichende Begegnungsbreite vorhanden sein, ausgenommen an kurzen Engstellen. Bei Linienbusverkehr oder bei stärkerem Verkehr mit Lastkraftwagen muss die Straßenbreite mehr als 3,50 m betragen. Laut RASt 06 sollte die Regelbreite der Fahrbahn 3,50 m betragen, mindestens jedoch 3,00 m bei ausreichenden Ausweichmöglichkeiten. Bei LKW und Linienverkehr fordert auch die RASt eine Breite von mehr als 3,50 m. Demgegenüber empfiehlt die ERA eine Straßenbreite ab 3,00 m bei ausreichenden Ausweichmöglichkeiten sowie eine Straßenbreite ab 3,50 m bei Linienbusverkehr und/oder hohem LKW-Anteil.“

Das Resümee der UDV zur Verkehrssicherheit auf Seite 131/132 des Forschungsberichts lautet:

„Geöffnete Einbahnstraßen gehören mittlerweile zum Standard der Radverkehrsplanung und werden dementsprechend in allen Ortsgrößenklassen sehr häufig eingesetzt. Alle befragten Städte über 50.000 Einwohner nutzen die Möglichkeit der Öffnung von Einbahnstraßen für den Radverkehr.

Die aktuellsten umfassenden Untersuchungen zu geöffneten Einbahnstraßen stammen aus den Jahren 1997 und 2001. Darin wird ausgeführt, dass geöffnete Einbahnstraßen im Vergleich zu nicht geöffneten Einbahnstraßen nicht unfallauffälliger sind, sondern einen positiven Einfluss auf die Verkehrssicherheit und den Verkehrsablauf haben. Wichtige Erkenntnisse waren, dass Kfz bei Begegnungen mit Radfahrern deutlich langsamer als bei unbehinderter Fahrt fahren, beim Überholen in gleicher Fahrtrichtung kommt es dagegen zu einer Beschleunigung. Auch konnte festgestellt werden, dass durch die Öffnung der Einbahnstraße Sicherheitsgewinne vor allem für Fußgänger zu verzeichnen sind, da Radfahrer nun auf der Fahrbahn fahren und nicht mehr auf dem Gehweg Fußgänger gefährden. Es gibt aber auch Hinweise, dass geöffnete Einbahnstraßen vor allem von Gelegenheitsradfahrern kritisch gesehen werden.

Geöffnete Einbahnstraßen werden von den Kommunen als sicher wahrgenommen und bewertet. Aus der Bevölkerung liegen ebenfalls nur wenige Beschwerden vor. Nur 25 von 2.373 gemeldeten Einbahnstraßen (1 %) wurden von Kommunen in der Kommunalbefragung als problematisch eingestuft.

In nur 36 % der Unfälle in als problematisch genannten geöffneten Einbahnstraßen fanden Unfälle mit Radverkehr in Gegenrichtung statt. In der Kölner Innenstadt waren dies sogar nur 22 % der Radverkehrsunfälle. Für die Kölner Innenstadt heißt das konkret, dass in den 200 geöffneten Einbahnstraßen pro Jahr nur insgesamt ca. 13 Unfälle mit Radfahrern in Gegenrichtung polizeilich registriert wurden.

Sowohl die Unfallschwere (4 bis 6 % Schwerverletzte) als auch die Häufigkeit von Unfällen mit Radverkehr in Gegenrichtung liegt unter der des Vergleichskollektivs des innerörtlichen Straßennetzes, Diese Unfälle machten in der flächenhaften Analyse der 200 Kölner Einbahnstraßen nur 20 % aller registrierten Unfälle aus.

Die meisten Unfälle finden auch in geöffneten Einbahnstraßen an Knotenpunkten statt und zählen zum Typ Einbiegen/ Kreuzen. Dieser Befund ist weitgehend Deckungsgleich mit den Befunden aus der ausgewerteten älteren Literatur. Die typische Konstellation ist das Übersehen eines kreuzenden Radfahrers, der aus der Gegenrichtung die Einbahnstraße befährt.

Unfälle im Längsverkehr wurden in der Stichprobe durch Überschreiten-Unfälle dominiert. Hier hat die vertiefende Mikroanalyse ergeben, dass auf den 5 Haupteinkaufsstraßen mit hoher Fußgängerfrequenz aus der Stichprobe fast alle dieser Überschreiten Unfälle stattfanden. Es handelt sich also um eine Sondersituation. Konflikte und Unfälle im Gegenverkehr konnten nur in wenigen Einzelfällen festgestellt werden.

Der Pkw ist in den geöffneten Einbahnstraßen bei den insgesamt wenigen Unfällen der häufigste Unfallgegner und der häufigste Hauptverursacher. Als Unfallursachen an den Knotenpunkten wurden den Unfallverursachern Pkw vor allem Vorfahrtverstöße zugeordnet. Fußgänger als Unfallverursacher treten nur auf den bereits erwähnten Geschäftsstraßen in Erscheinung.

Insgesamt erweist sich die geöffnete Einbahnstraße als ein Infrastrukturelement mit geringer Unfallbelastung und geringer Konfliktdichte. Die vorhandenen begrenzten Risikofaktoren wie Vorfahrtsverstöße an Knoten und Überschreiten-Unfälle auf Geschäftsstraßen konnte gut eingegrenzt werden. Interessant ist das weitgehende Fehlen von Unfällen mit dem ruhenden Verkehr in der Mikroanalyse, wo nur die Unfälle des gegenläufigen Radverkehrs vertieft untersucht wurden. Die zeigt, dass die Radfahrer gegen die Richtung besser sichtbar sind als die Radfahrer, die sich in Fahrtrichtung der Einbahnstraße bewegen.

Der Hinweis auf den ruhenden Verkehr im vorletzten Absatz bezieht sich auf Türöffnungsunfälle („Dooring“). Freigegebene Einbahnstraßen haben sich nicht im Hinblickt auf den vermeintlich gefährlichen Begegnungsverkehr als sicher erwiesen, sondern bieten sogar zusätzliche Sicherheitsvorteile.

https://rheinberg-oberberg.adfc.de/neuigkeit/verkehrssicherheit-in-einbahnstrassen-mit-gegengerichtetem-radverkehr

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