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SPD und CDU in Nippes möchten sich beim Niehler Gürtel weiterhin alle Optionen offen halten, auch den Bau einer Straße. Nur: Für den Bau einer Straße am Niehler Gürtel ist die Bezirksvertretung Nippes gar nicht zuständig. Für Radwege aber schon – sofern sie keine überbezirkliche Bedeutung haben. Deshalb kämpfen sie auf zwei Fronten gegen den vom Rat beschlossenen Radweg: Erstens argumentieren sie, dass Nippes zuständig ist, weil der Radweg lediglich eine innerbezirkliche Bedeutung hat. Zweitens wollen sie ihn so bauen, dass er dem späteren Bau einer Straße nicht im Wege ist. Das ist der Grund für die Forderung, keinen breiten Radschnellweg anzulegen, sondern zwei getrennte Einrichtungsradwege ... zwischen die eben noch eine Straße passt.
Dieses unglaubliche Vorgehen konnten wir nur sarkastisch kommentieren.

Im Streit um den Niehler Gürtel gibt es eine spektakuläre Wendung: In dramatischen Stunden am Vorabend der BV-Sitzung des gestrigen Donnerstags konnten die Radverkehrsexperten von SPD und CDU innerhalb ihrer Fraktionen eine neue Linie durchsetzen. Seit mehreren Jahrzehnten kämpften die beiden großen Fraktionen für den Lückenschluss des Gürtels mit einer Straßenverbindung. Eine attraktive Radverkehrsverbindung war jahrelang undenkbar. Während im Rat – abweichend von der ursprünglichen Idee eines vierspurigen Ausbaus – in 2010 die Gleichberechtigung aller Verkehrsteilnehmer und in 2016 sogar die Bevorzugung des Radverkehrs beschlossen wurde, setzte die Mehrheit in der Bezirksvertretung weiter auf das Automobil. Immerhin: Der festgestellte Rückgang der Kfz-Belastung wurde von den Experten vor Ort durchaus zur Kenntnis genommen. Aber noch im Dezember wetterte die SPD-Fraktion in der Kölnischen Rundschau über die "grüne Diktatur" des Rates, und der 1. Stellvertretende Bezirksbürgermeister bewertete die mit den Stimmen seiner CDU-Parteikollegen zustande gekommene Beschlusslage als "ideologisch motiviert".
Doch nun ist alles anders. In intensiven Beratungen entstand zu später Stunde eine Vorlage, die in vielen Punkten deutlich über die des Rats hinausgeht, und auf die sich fast alle Bezirksvertreterinnen und -vertreter gestern einigen konnten. Es gelang der Kunstgriff, statt einer Straße mit Geh- und Radwegen eine "attraktive Verkehrsverbindung für ALLE Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer" (AVFAV) zu schaffen. Insbesondere die Nippeser Radfahrerinnen und Radfahrer dürfen sich freuen: Anstelle eines überbezirklichen 4,50m breiten Radschnellweges nach Vorbild des RS1 im Ruhrgebiet erhalten sie je Fahrtrichtung 2,50m breite rein innerbezirkliche Radwege, die jeweils nördlich und südlich der Bahntrasse verlaufen. Weitere Details sind noch nicht durchgesickert, aber schon jetzt ist klar: Unfälle mit "aufeinander zu rasenden Pedelecs" sind nach den Erläuterungen der Antragsteller durch die räumliche Trennung vollkommen ausgeschlossen. Auch Kollisionen zwischen Fußgängern im Begegnungsverkehr wird man hier nicht beklagen müssen, weil auch diese auf innovativen Ein-Richtungs-Gehwegen mit komfortablen 2,50m pro Laufrichtung geführt werden. So ist auch ein gefahrloses Überholen von langsameren durch schnellere Fußgänger mit ausreichendem Abstand erstmals in Nippes möglich.
Zwischen den beiden hochsicheren Hochgeschwindigkeits-Trassen für innerbezirkliche Fahrten mit dem Rad könnte es in einem zweiten Schritt großzügige Pufferzonen geben, die von anderen Verkehrsteilnehmern genutzt werden, die nicht zu einer der vorgenannten Gruppen gehören. Bei der konkreten Ausgestaltung zeigen sich die Bezirksvertreter pragmatisch, aber durchaus geschichtsbewusst: Die Planungen sollen "zeitnah" gestartet werden, und zwar "auf Basis der bereits in der Bezirksvertretung gefassten Beschlüsse".
Hier wurde in kurzer Zeit eine pfiffige verkehrspolitische Lösung ersonnen, die durchaus überbezirkliche Wirkung entfalten könnte. Auch eine Förderung mit Mitteln aus dem EU-Innovationsfonds zur Vision Zero scheint nicht ausgeschlossen. Die Aufnahme des AVFAV-Standards in die Regelwerke ERA und EFA ist jedoch das Mindeste. Sichtlich stolz betonten die Antragsteller mehrfach, dass durch die neue Formel alle verkehrlichen Ziele erreicht werden konnten, "ohne eine Straße in der Beschlussvorlage zu erwähnen".
Ein Wermutstropfen bleibt: Es ist leider zu befürchten, dass dieses innovative Verkehrskonzept im Zuständigkeitsgerangel zwischen Rat und Bezirk untergehen könnte.
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